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Rundbrief der Bundesvorsitzenden zum Krisengipfel in Berlin

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit vielen Monaten kämpfen wir als Verband mit allem, was wir haben, für eine Stärkung der hausärzt­lichen Versorgung. Das geschieht durch Protestmaßnahmen und laute Öffentlichkeitsarbeit, aber auch in vielen Gesprächen und Auseinandersetzungen hinter den Kulissen, die nicht über die Medien ausge­tragen werden. Dabei verfolgen wir immer zwei zentrale Ansätze: Erstens sind wir konstruktiv. Wir schlagen keine Tür zu und erklären dem einen oder anderen Politiker gerne auch zum hundertsten Mal, weswegen eine bestimmte Reform dringend notwendig ist oder nicht. Und zweitens machen wir eigene, konkrete Vorschläge. Geld und die angemessene Finanzierung der hausärztlichen Versorgung sind dabei ein sehr wichtiges, aber nicht unser alleiniges Anliegen.

Ein zentrales Vehikel, mit Hilfe dessen wir unsere Forderungen adressieren wollten, war immer ein hausärztlicher Krisengipfel. Seit Monaten haben wir darauf hingewirkt, ein großes Spitzengespräch mit dem Bundesgesundheitsminister einzuberufen, in dessen Rahmen sich der Bundesgesundheits­minister dann auch öffentlich zur hausärztlichen Versorgung erklärt. Dieser Krisengipfel hat nun am Dienstag dieser Woche stattgefunden. Dabei wurden eine ganze Reihe an Reformmaßnahmen bespro­chen und beschlossen, die – wenn sie so zeitnah umgesetzt werden – eine spürbare Stärkung für die hausärztliche Versorgung bedeuten würden. Das betrifft auch viele Punkte jenseits der Entbudge­tierung der hausärztlichen Versorgung.

Konkret wurden unter anderem folgende Eckpunkte festgehalten, deren Details noch ausgearbeitet werden müssen:

  • Patientinnen und Patienten, die freiwillig an den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versor­gung teilnehmen, sollen einen Bonus von ihrer Krankenkasse erhalten. Das würde den Ver­trägen, die ohnehin schon massiv wachsen, einen weiteren Schub geben.  

  • Die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen soll endlich kommen, und zwar nach dem Modell MGV plus. Konkret bedeutet das: Keine Praxis verliert Geld, alle Leistungen werden überall voll bezahlt. Das ist ein überfälliger Schritt, der schon viel zu lange angekündigt und bislang nicht umgesetzt wurde. 

  • Es soll eine jahresbezogene hausärztliche Versorgungspauschale für die Behandlung von erwachsenen Versicherten mit chronischer Erkrankung (und kontinuierlichem Arzneimittel­bedarf) eingeführt werden. Dadurch wäre endlich Schluss damit, dass Chroniker zweimal im Quartal einbestellt werden müssen, ohne dass das medizinisch sinnvoll ist. Selbstverständlich wird es aber auch in Zukunft Patientinnen und Patienten geben, die einer aufwändigeren Ver­sorgung bedürfen. Für diese Versorgungskonstellationen würde es auch in Zukunft eine quar­talsbezogene Abrechnung geben.  

  • Es ist eine hausärztliche Vorhaltepauschale für echte Versorgerpraxen, die maßgeblich die hausärztliche Versorgung aufrechthalten, geplant. Diese soll abrechenbar sein, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind (z. B. Hausbesuche, Mindestanzahl an Versicherten in Behand­lung). Damit würden die Praxen finanziell gestärkt werden, die den hausärztlichen Versorgungs­auftrag umfänglich erfüllen.  

  • Es soll eine Bagatellgrenze zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands bei Wirtschaftlich­keitsprüfungen sowie eine zweijährige Ausschlussfrist für Beratungen im Rahmen dieser Prü­fungen zur Erhöhung der Planungssicherheit eingeführt werden. Auch wenn ein kompletter Verzicht auf Regresse richtig und notwendig wäre, wäre dies zumindest eine deutliche Ver­besserung zum derzeitigen Status Quo.

Klar ist: Von Versprechen und Vorhaben allein kann sich keine Hausarztpraxis etwas kaufen. Den An­kündigungen müssen jetzt auch Taten folgen. Hier ist die gesamte Ampel-Koalition gefordert, an einem Strang zu ziehen. Querschüsse können sich die Hausarztpraxen nicht leisten!

Wenn es jetzt hoffentlich zeitnah an die konkrete Ausarbeitung geht, dann ist nicht zuletzt auch die ärzt­liche Selbstverwaltung gefragt. Sie ist gefordert, die Interessen der Hausärztinnen und Hausärzte, die bekanntlich das KV-System maßgeblich finanzieren und durch Wahlen legitimieren, mit Engagement zu vertreten.

Ein solcher Krisengipfel lebt natürlich nicht zuletzt auch von der medialen Rezeption. Wir haben schon im Vorfeld gegenüber der Presse sehr deutlich gemacht, was wir erwarten und was die Folgen wären, wenn nichts passiert. Auch im Rahmen der anschließenden Pressekonferenz gemeinsam mit Bundes­gesundheitsminister Lauterbach haben wir betont, dass die Beschlüsse nur etwas wert sind, wenn sie jetzt auch schnell in Gesetzesform gegossen werden. Das Thema wurde sehr breit in allen Publikums­medien prominent aufgenommen. Es ist gelungen, die Bedeutung der hausärztlichen Versorgung ganz oben auf die öffentliche Agenda zu setzen.

Nachfolgend erhalten Sie eine kleine Auswahl zur erfolgten Berichterstattung: 

  • ARD: “Hausärzte bei Lauterbach – Doktor in Not – Heilung beim Minister?” 

  • RBB: “Hausärzteverband: Geht nicht nur ums Geld, sondern um eine Strukturreform.” 

  • ARD: „Lauterbach will Hausärzten mehr Freiräume geben“ 

  • ZDF heute: „Lauterbach plant Hilfen für Hausärzte“ 

  • RND: „Nach dem Krisengipfel: Hausärzte bekommen mehr Geld – Fachärzte wollen weiter protestieren“ 

  • MDR: „Mehr Geld und weniger Bürokratie für Hausärzte“ 

  • Tagesspiegel: „Immer mehr Patienten finden keine Praxis mehr“: So will Lauterbach den Hausärzten jetzt helfen“.

In den nächsten Wochen und Monaten werden wir der Politik und der ärztlichen Selbstverwaltung mit Argusaugen auf die Finger schauen müssen, um sicherzustellen, dass aus diesen guten Eckpunkten auch gute Gesetze und letztlich merkliche Verbesserungen für die hausärztlichen Praxen werden. Als einzige Interessenvertretung der Hausärztinnen und Hausärzte können Sie sich darauf verlassen, dass wir hier nicht locker lassen werden.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Markus Beier             Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
Bundesvorsitzender        Bundesvorsitzende