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Rundbrief Nr. 7

 Rundbrief Nr. 7 vom 12.10.2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieser Herbst hat es in sich! Es ist eine schwierige Zeit für uns Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland. Während international, besonders in den westlichen Ländern, das Thema Hausarztmangel jetzt und vor allem in der nahen Zukunft sehr ernst genommen wird und nicht nur in Sonntagsreden von Ministern vorkommt, erleben wir gerade eine massive Gefährdung der hausärztlichen Versorgung. Die Angriffe auf den § 73b, gefeiert von Kassenfunktionären wie Ballast und anderen, wird zu einer Verschärfung der Nachwuchsproblematik in der Allgemeinmedizin führen. Dabei geht es nicht nur um die Höhe der Honorare, sondern auch um deren Kalkulierbarkeit und vor allem um die Verlässlichkeit von Arbeitsbedingungen.

Wir wissen ganz genau, dass diese jetzt erfolgte Erhöhung der Gesamt-vergütung um ca. eine Mrd. Euro nicht zur Stärkung der hausärztlichen Versorgungsebene führen wird. Diese Erfahrung haben wir auch bei der letzten Erhöhung vor einem Jahr gemacht. Schon damals haben wir festgestellt, dass die brennenden Strukturfragen dadurch nicht gelöst werden. Die jetzt eingeforderte ?asymmetrische? Honorarverteilung ist doch nur notwendig geworden, weil die Honorarreformen der letzten Jahre nichts als Murks waren, die zu genau diesen Missverhältnissen geführt haben. Das hat niemand anderes verbockt als die Selbstverwaltung, die auch jetzt wieder im Bewertungsausschuss zusammengesessen hat.

Die Ankündigung einer erneuten Honorarreform zum April wirkt in dem Zusammenhang eher wie eine Drohung als dass sie die Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation gibt. Als zwingende Voraussetzung dafür sollen bereits zum Jahreswechsel die Kodierrichtlinien eingeführt werden. Die Testeinführung in Bayern ist allerdings grandios gescheitert. Neben immensem bürokratischem Aufwand in der Praxis und hohen Kosten (eine Milliarde, wer soll die finanzieren?) werden auch dort wieder hausärztliche Kompetenzen massiv beschnitten! Wir brauchen als Wahlalternative die freien Verträge, und zwar dauerhaft und damit zukunftssicher. Wer soll denn eine Praxis übernehmen, deren vertragliche Absicherung gerade mal einen Bestandsschutz bis 2012 aufweist? Und was dann?

Dennoch werden unsere Verträge immer wieder infrage gestellt. Das dafür inszenierte Spektakel ist eigentlich durchschaubar, zeigt aber Jahr für Jahr Wirkung: Da wird ein enormes Defizit der gesetzlichen Kassen ? 11 Mrd. Euro ? als Menetekel an die Wand gemalt und alle Welt zum Sparen aufgefordert. Wer hier nicht mitmacht, ist sofort der hemmungslosen Gier überführt.

Was aber ist ? ebenfalls alljährlich ? das Ergebnis? Das Defizit entpuppt sich als viel kleiner als erwartet! Krankenkassen liegen schon in diesem Jahr, wie übrigens auch im letzten Jahr, im Plus! Zudem werden die Einkommens-entwicklung, die Loherhöhungen das ihrige dazu beitragen, so dass auch in den nächsten Jahren Zusatzbeiträge nicht erhoben werden müssen. Kurz, die Kassen schwimmen im Geld. Und da sollen gerade die Verträge zur Hausarzt-zentrierten Versorgung für mögliche unkalkulierbare Kostensteigerungen verantwortlich sein? Die von vier Kassen ohne Hausarztvertrag(!) behaupteten 1,5 Milliarden Euro Mehrkosten sind im BMG schon auf die Hälfte geschrumpft. Auf der anderen Seite zeigen die Erfahrungen aus Baden-Württemberg hohe Zufriedenheit von Versicherten und Ärzten wie auch der Krankenkasse selbst, die öffentlich eine Verbesserung der Effizienz konstatiert.

Nein, es geht in diesem Spiel um etwas Anderes! Die Kraft der Hausärzte in Deutschland, die sie durch ihre Organisation im Deutschen Hausärzteverband erreicht haben, soll geschwächt werden und man will sie wieder an das Kollektivvertragssystem ketten. Diese Rückkehr zum Zentralismus und zur Staatsmedizin hätte man einem liberal geführten Ministerium eigentlich gar nicht zugetraut.
Um so besser sich die Verträge zu entwickeln begannen, desto heftiger wurden die Angriffe. Insbesondere aus dem Lager der Kollektivvertragler, in dem sich auch einige Hausärzte nicht zu schade sind, zwar Trittbrett fahrend die Verträge zu kopieren, sich aber gleichzeitig gegen den Kampf um ein eigenes Tarifrecht für Hausärzte zu stellen. Oft ist allerdings weniger die innere Überzeugung der Motor des Handelns, als eher eine profanere externe Motivation.

Auch wenn der Gesundheitsreformprozess der schwarz-gelben Regierungs-koalitionskoalition bislang nichts Gutes verheißt, dürfen wir die Flinte nicht ins Korn werfen. Der bundesweite Aktionstag am 15.09.2010 hat Eindruck hinterlassen, weil sich so viele Hausärzte und Patienten daran beteiligt hatten, und das nicht nur auf den Großveranstaltungen in Sindelfingen und Essen. Wir werden weiter für unser eigenes Tarifrecht streiten und kämpfen müssen. Das ist nicht komfortabel, aber für unsere Existenz, für die Versorgung unserer Patienten auch im Hinblick auf unser Ausscheiden und das damit verbundene Finden eines Nachfolgers unverzichtbar. Wir haben es auf der Bundes-delegiertenversammlung gefordert und lassen nicht damit nach: Hände weg vom § 73b!

Große Verunsicherung schaffen zudem die Bedenken von Datenschützern. Hier ist ein Klärungsprozess angestoßen, der juristisch, aber auch in gemeinsamen Gesprächen eine Lösung herbeiführen wird. Da die direkten Verträge nach § 73b, aber auch die anschließenden Verträge mit Fachärzten nach § 73c Neuland sind, muss man mit solchen temporären Unsicherheiten rechnen. Dies sollte keinen Hausarzt davon abhalten, sich in die Verträge einzuschreiben. Die Akzeptanz und die Notwendigkeit der Klärung solcher Hemmnisse werden durch eine hohe Anzahl von Einschreibungen verdeutlicht.
Die aktuelle Entwicklung unserer Verträge vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein aber auch der bundesweiten Verträge mit der TK, der Vereinigten IKK und der Krankenkasse für den Gartenbau veröffentlichen wir immer auf der Homepage des Deutschen Hausärzte-verbandes; dort finden Sie auch die erforderlichen Unterlagen zum Download: www.hausaerzteverband.de

Wie wichtig die klare Linie des Hausärzteverbandes und der Druck der Hausärztinnen und Hausärzte ist, sieht man doch nicht zuletzt an den jetzt aufflammenden Bemühungen von Kassen und KVen, selbst Verträge zu schließen. Das hätten sie auch schon vor vier Jahren gekonnt, aber ohne den Druck von Außen bewegt sich in einem Monopol wie der KV eben nichts!

Dieser Druck darf aber ruhig auch innerhalb der KVen spürbar sein. Die Kontrolle dieses Systems ist wegen seiner Komplexität nicht leicht. Deshalb ist es so enorm wichtig, über die Wahlen zu den Vertreterversammlungen viele Hausärztinnen und Hausärzte in den KVen zu positionieren, die klar die Interessen ihrer Versorgungsebene vertreten. Auch andere haben ja schließlich ihre ureigenen Interessen immer im Blick. Erste Ergebnisse wie in Baden-Württemberg sind schon sehr erfreulich und sollten Allen ein Ansporn sein, die noch wählen! Wählen Sie die Kandidaten, die nicht nach vier Wochen vergessen, wer sie gewählt hat. Wählen Sie die Kandidaten des Hausärzteverbandes.
Herzliche Grüße, Ulrich Weigeldt